Wahrheit statt KI-Interpretation
EBU und WAN-IFRA fordern von KI-Unternehmen klare Regeln für den Einsatz von KI im Journalismus ein.
Der World News Day ist eine weltweit jährlich stattfindende Kampagne von Redaktionen wie der New York Times und der Süddeutschen Zeitung, die Qualitätsjournalismus würdigen, Medienkompetenz fördern und die Bedeutung faktenbasierter Berichterstattung für die Gesellschaft hervorheben soll. In diesem Gastkommentar stellen Liz Corbin, EBU-Direktorin für Nachrichten, und Vincent Peyrègne, CEO der World Association of Newspapers and News Publishers (WAN-IFRA), fünf Forderungen an große KI-Unternehmen.
Recht auf Fakten
Wir alle wollen die Welt um uns herum verstehen. Vielleicht möchten wir mehr Klarheit über den Krieg in Gaza oder darüber, was unsere Regierung im Gesundheitswesen unternimmt, oder etwas so Alltägliches wie Änderungen einer Buslinie. Ganz gleich, wie bedeutend oder banal ein Thema erscheint – wir haben ein Recht auf vertrauenswürdige Nachrichten. Doch heute müssen wir ständig hinterfragen, was echt ist – und was die Erfindung künstlicher Intelligenz.
KI-generierte Inhalte sind mittlerweile so überzeugend und prägen einen so großen Teil unserer Informationswelt, dass wir Gefahr laufen, gar nichts mehr glauben zu können. Dieses Misstrauen ist der Nährboden für Verschwörungstheorien, gesellschaftliche Polarisierung und den Rückzug aus der Demokratie. Die Integrität dessen, was wir „Nachrichten“ nennen, wird durch genau jene Werkzeuge untergraben, die uns helfen sollen, die Welt zu verstehen.
Flut aus Fälschungen
Technologieunternehmen, die KI-Systeme entwickeln, tragen große Verantwortung – aber sie handeln bislang unzureichend. Eine Untersuchung der BBC ergab: Bei der Hälfte der KI-generierten Antworten zu Nachrichten fehlten wichtige Informationen oder es lagen gravierende Fehler vor. Die getesteten Systeme lieferten falsche Fakten, aus dem Kontext gerissene Zitate oder gar erfundene Inhalte – oft ohne Quellenangabe.
Das Problem geht über offensichtliche Deepfakes hinaus: Subtile Fehler und glaubwürdig wirkende Ungenauigkeiten können Vertrauen untergraben, ohne groß aufzufallen. Vor allem kleinere, regionale Medien und Journalisten werden gefährdet, wenn ihre Arbeit algorithmisch umgewandelt und verbreitet wird – ohne Anerkennung oder Vergütung.
Fünf Forderungen an KI-Unternehmen
1. Keine Inhalte ohne Zustimmung: KI-Systeme dürfen nicht ohne Erlaubnis mit journalistischen Inhalten trainiert werden – geistiges Eigentum muss respektiert werden.
2. Wertschätzung der Inhalte: Hochwertiger Journalismus ist kosten- und zeitintensiv. Wenn KI davon profitiert, müssen Urheber fair entlohnt werden.
3. Transparenz: KI-Inhalte, die auf journalistischen Quellen beruhen, müssen klar zitiert und verlinkt werden, damit Herkunft und Veränderungen nachvollziehbar sind.
4. Vielfalt schützen: KI sollte pluralistischen, unabhängigen und gemeinwohlorientierten Journalismus fördern – nicht einander konkurrierende Stimmen verdrängen.
5. Kooperation mit Medien: KI-Unternehmen sollen in ernsthaften Dialog mit Journalisten treten – nicht als Nutznießer, sondern als Partner – um Standards für Genauigkeit, Sicherheit und Transparenz gemeinsam zu gestalten.
Dringende Maßnahmen nötig
Diese Forderungen sind nicht radikal – sie sind realistisch und notwendig für eine Demokratie, die auf Vertrauen in Fakten beruht. Technologiekonzerne reden viel über Vertrauen, aber: Vertrauen besteht nicht aus Worten. Wenn KI-Systeme unverändert weiter Nachrichten verzerren können, droht ein Verlust an Vertrauen der Öffentlichkeit – in Medien, in Institutionen, in Wahrheit selbst.
Quellen
– “Wahrheit statt KI-Interpretation”, Medianet, 2. Oktober 2025 (https://medianet.at/news/marketing-and-media/wahrheit-statt-ki-interpretation-70682.html)
– “You deserve the truth, not AI’s interpretation of it”, EBU, 27. September 2025 (https://www.ebu.ch/news/2025/09/you-deserve-the-truth-not-ai-s-interpretation-of-it)
– “Media outlets worldwide join call for AI companies to help protect news integrity”, EBU & WAN-IFRA Initiative (https://www.ebu.ch/news/2025/05/media-outlets-worldwide-join-call-for-ai-companies-to-help-protect-news-integrity)
– “EBU: Tech companies ‘should enter formal dialogue’ with news organisations over AI standards” (https://www.tvbeurope.com/artificial-intelligence/ebu-tech-companies-should-enter-formal-dialogue-with-news-organisations-over-ai-standards)
– “No longer optional: Why AI is now a strategic priority for journalism” (https://wan-ifra.org/2025/04/no-longer-optional-why-ai-is-now-a-strategic-priority-for-journalism/)