Which Humans? – Das Problem der Generalisierung aus WEIRD-Populationen

 

Datum: 2025‑10‑29

Die Forschung zeigt, dass viele Aussagen über „den Menschen“ auf einer sehr speziellen Teilmenge der Weltbevölkerung basieren – meist aus westlich, gebildet, industrialisiert, reich und demokratisch geprägten Gesellschaften (WEIRD). Das Paper „Which Humans?“ (Henrich et al., 2023) wirft genau diese Frage auf: „Welche Menschen?“ – und warum diese Frage für Wissenschaft und KI relevant ist.

Ausgangslage
Ein Großteil psychologischer, kognitiver und verhaltenswissenschaftlicher Studien verwendet Daten aus WEIRD‑Gesellschaften. Die Autoren verweisen darauf, dass dadurch Generalisierungen auf die gesamte Menschheit fragwürdig sind.
Im Paper untersuchen Henrich et al., wie sich dieses Problem verschärft, wenn KI‑Modelle mit solchen Daten trainiert werden.

Kernthesen
– Menschen sind eine kulturelle Spezies: Psychologische Prozesse variieren stark zwischen Gesellschaften – z. B. Denken, Kooperation, Moral, Selbstkonzept.
– KI‑Modelle werden überwiegend mit Text‑ und Datenmaterial trainiert, das von WEIRD‑Populationen stammt; das erzeugt eine „WEIRD‑Psychologie“ in den Modellen.
– Wenn Forscher oder Entwickler sagen „das Modell denkt wie ein Mensch“, müssen sie präzisieren: welcher Mensch? Denn die Nähe liegt meist bei WEIRD‑Populationsprofilen.
– Diese Verzerrung ist weder trivial noch harmlos: Sie birgt wissenschaftliche und ethische Risiken – von falschen Generalisierungen bis zu nachteiligen Entscheidungen.

Bedeutung & Folgewirkungen
Für Forschung bedeutet das:
– Mehr Diversität in Stichproben, inklusive Gesellschaften, die nicht WEIRD sind.
– Sensibilisierung: „Menschlich“ heißt nicht automatisch „WEIRD“.
Für KI‑Entwicklung heißt das:
– Trainingsdaten‑Herkunft beobachten; Modelle könnten Bias enthalten.
– Globale Anwendungen prüfen: Funktioniert das Modell auch in nicht‑WEIRD Kontexten?
– Ethik und Fairness verlangen kulturelle Vielfalt, nicht nur demografische.

Fazit
„Which Humans?“ erinnert daran: Wer wir sind, hängt davon ab, wo wir stehen – kulturell, historisch, sozial. Wenn Forschung oder Technologie behauptet, „den Menschen“ abzubilden, muss klar sein: Wir sprechen oft über einen Teilmenschen. Das zu ignorieren, bedeutet, Perspektiven zu verlieren und Fehler zu riskieren.

Quellen:
1. Henrich, J., Xue, M., Park, P. S., Atari, M., Blasi, D. E. (2023). Which Humans? The Problem of Generalizing from WEIRD Populations. Harvard University Preprint, 22.09.2023. URL: https://scholar.harvard.edu/sites/scholar.harvard.edu/files/henrich/files/which_humans_09222023.pdf
2. Henrich, J., Heine, S. J., Norenzayan, A. (2010). The weirdest people in the world? Behavioural and Brain Sciences, 33(2‑3), 61‑83. URL: https://www2.psych.ubc.ca/~henrich/pdfs/WeirdPeople.pdf
3. Atari, M. (2024). „Cultural psychology and the AI bias problem.“ PsyArXiv. URL: https://osf.io/preprints/psyarxiv/5b26t
4. Open Encyclopedia of Cognitive Science (2024). WEIRD Entry. URL: https://oecs.mit.edu/pub/spow8trw
5. Harvard University Center for Cultural Evolution (2025). „Global Cognition Project.“ URL: https://culturalcognition.harvard.edu

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